Ukrainische katholische Kirche zeichnet Kardinal Schönborn aus
Kardinal Christoph Schönborn bekommt die höchste Auszeichnung der Ukrainischen Griechisch-katholischen Kirche (UGKK). Das Oberhaupt der Kirche, Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk wird dem Kardinal am Dienstagabend im Rahmen eines Konzerts im Stephansdom den "Orden des Metropoliten Venerabilis Dei Servus Andrej Scheptyzkyj" überreichen. Der Verleihung ging ein entsprechender Beschluss der Bischofssynode der Ukrainischen Griechisch-katholischen Kirche voraus. Diese Auszeichnung wird zum ersten Mal in der Geschichte der UGKK verliehen. Der Wiener Erzbischof erhält sie "für den unermüdlichen Einsatz für die Versöhnung unter den Nationen, für die Förderung des ökumenischen und interreligiösen Dialogs und der Beziehungen zwischen Kirche und Staat" wie es im entsprechenden Dekret heißt.
Schönborn hat eine sehr intensive Beziehung zur Ukrainischen Griechisch-katholischen Kirche. U.a. ist er als Ordinarius für die Katholiken des Byzantinischen Ritus in Österreich zuständig. Er trägt damit die bischöfliche Letztverantwortung - mit allen Rechten und Pflichten - für Gläubige und Priester dieser Kirchen, die einen Wohnsitz in Österreich haben. Von den bis zu 20.000 angehörigen der katholischen Ostkirchen in Österreich gehören die meisten der UGKK an. Im Dezember 2014 nahm der Wiener Erzbischof als Sondergesandter des Papstes in Kiew an den Feiern zum 25. Jahrestag der offiziellen Wiedererrichtung der mit Rom verbundenen UGKK teil.
Das Konzert und die Verleihung im Stephansdom sind zugleich der Abschluss eines Festakts, mit dem am kommenden Dienstag die Verdienste von Kardinal Theodor Innitzer (1875-1955) um die notleidende Bevölkerung der Ukraine in den frühen 1930er-Jahren gewürdigt werden sollen. Kardinal Schönborn und Großerzbischof Schewtschuk werden dabei u.a. im Erzbischöflichen Palais in Wien eine Gedenktafel für Kardinal Innitzer enthüllen. Der damalige Wiener Erzbischof war 1933 einer von wenigen westlichen Persönlichkeiten, die gegen die Hungerkatastrophe in der damals sowjetischen Ukraine protestierte und Hilfsmaßnahmen in die Wege leitete.
Der Festakt am Dienstag, 12. November, beginnt um 14.30 Uhr im "Club Stephansplatz 4". Erwartet werden zu dem Festakt auch hochrangige Regierungsvertreter aus der Ukraine und Österreich; weiters Vertreter der Ökumene - Metropolit Arsenios (Kardamakis), Bischof Andrej (Cilerdzic) und Erzbischof Tiran Petrosyan - sowie der Wiener Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister.
Nach Grußworten der Repräsentanten der christlichen Kirchen und der Israelitischen Kultusgemeinde wird der an der Universität Yale und am Wiener "Institut für die Wissenschaften vom Menschen" (IWM) lehrende Historiker Timothy D. Snyder den Festvortrag halten. Er spricht zum Thema "A Forgotten Witness: Archbishop Innitzer and Suffering Ukraine". Snyder hat sich in seinem Werk "Bloodlands" mit der dramatischen Geschichte Osteuropas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auseinandergesetzt. Um 16.15 Uhr erfolgt dann die Enthüllung der Gedenktafel.
Ab 20.30 Uhr ist dann im Stephansdom ukrainische Sakralmusik mit dem nationalen Knaben- und Männerchor der Ukraine "Dudaryk" und der an der Wiener Staatsoper tätigen Mezzosopranistin Zoryana Kuschpler zu hören.
Jedes Jahr am 24. November wird in der Ukraine und in vielen weiteren Länder der Opfer des "Holodomor" gedacht. In der "Holodomor"-Gedenkstätte in der ukrainischen Hauptstadt Kiew wird an den Einsatz von Kardinal Innitzer mit einer Schautafel erinnert.
Holodomor - Bis zu zehn Millionen Opfer
Die Hungerkatastrophe der Jahre 1932/33 in der Ukraine - auch "Holodomor" genannt - wurde von den Sowjets absichtlich herbeigeführt, um die wohlhabenden ukrainischen Großbauern - Kulaken bezeichnet - zu schwächen und zum Eintritt in die Kolchosen und Sowchosen zu zwingen. Nach Schätzungen forderten die Repressionen der Sowjets allein in der Ukraine bis zu zehn Millionen Opfer.
Innitzer appellierte erstmals am 20. August 1933 an die Weltöffentlichkeit, Hilfe für die Hungernden in die Wege zu leiten. Er rief in Folge eine internationale und interkonfessionelle Hilfsaktion für die Hungeropfer ins Leben. So versammelten sich etwa am 16. Oktober 1933 Repräsentanten der katholischen, orthodoxen und evangelischen Kirche sowie der Israelitischen Kultusgemeinde auf Einladung Kardinal Innitzers im Wiener Erzbischöflichen Palais, um Hilfsmaßnahmen zu besprechen. Am 16. und 17. Dezember 1933 fand im Erzbischöflichen Palais eine internationale Konferenz der Vertreter aller Organisationen statt, die an der Hilfeleistung für die in der Sowjetunion verhungernden Menschen beteiligt waren.
Der Kardinal stützte sich in seiner Initiative auf Augenzeugenberichte, die u.a. der damalige griechisch-katholische Metropolit von Lemberg (Lwiw), Andreas Scheptytzkyj, gesammelt hatte. Lemberg gehörte damals zu Polen, aber der Metropolit hatte gute Verbindungen über die Grenze in die Sowjetukraine.
Innitzer war mit seiner Initiative weitgehend allein und stand zwischen allen Fronten: Auf der einen Seite wies die Sowjetregierung in Moskau alle Behauptungen von der Notlage und dem Hunger im Land als "freie Erfindung und Lüge der Agenten des Auslandes" zurück. Auf der anderen Seite fürchtete die westliche Welt Unannehmlichkeiten und Handelshemmnisse mit der UdSSR und blieb aus diesem Grund untätig.
Einer der "großen humanitären Akte"
In der Einladung zum Festakt bezeichnet Kardinal Schönborn die Initiative Innitzers als einen "der großen humanitären Akte des 20. Jahrhunderts, der die Rettung von Menschenleben, die Linderung des Leids und die Erhaltung der menschlichen Würde zum Ziel hatte". Der Appell von Kardinal Innitzer zusammen mit Repräsentanten der christlichen Kirchen und der Israelitischen Kultusgemeinde habe den Millionen schuldloser, vom Hungertod bedrohter und sterbender Menschen eine Stimme gegeben. "Dieses starke Zeugnis der Solidarität in der Vergangenheit soll unsere Überzeugung in der Gegenwart bestärken, dass die gemeinsame Stimme das Schicksal von Millionen Menschen wenden kann", so Schönborn wörtlich.