70 Jahre Ordinariat des byzantinischen Ritus in Österreich
Wien, 05.12.2015 (KAP) Kardinal Christoph hat bei einem Gottesdienst mit den unierten byzantinischen Katholiken am Freitagabend im Wiener Stephansdom an die Verfolgung der Christen von der Antike bis zur Gegenwart sowie an den Fall der Diktaturen erinnert. Die Messe am Festtag der unter Kaiser Maximinus Daia hingerichteten Märtyerin Barbara stand im Zeichen eines Jubiläums: Vor 70 Jahren, am 4. Dezember 1945, wurde ein eigenes Ordinariat der griechisch-katholischen Kirche in Österreich gegründet. Seine Patronin ist die hl. Barbara, als "Kathedrale" des Ordinariats dient die barocke Barbarakirche in der Postgasse in der Wiener Innenstadt.
Schönborn hob das Martyrium der hl. Barbara vor 1.700 Jahren sowie vieler griechisch-katholischer Ukrainer in den Jahren des Kommunismus hervor. Das Sowjetreich und seine Ideologie sei - wie andere Reiche und Ideologien - "ein Koloss auf tönernen Füßen" gewesen. Schon der Prophet Daniel habe die Diktatur seiner Lebenszeit mit diesem Bild charakterisiert, sagte der Wiener Erzbischof. Er ging auch auf das Martyrium der Christen in Syrien und Irak in diesem Jahrzehnt ein und erwähnte dabei die beiden Metropoliten von Aleppo, Boulos Yazigi und Gregorios Yohanna Ibrahim, die 2013 von Jihadisten verschleppt worden waren.
Festakt im Erzbischöflichen Palais
Über die Geschichte der griechisch-katholischen Kirche in Österreich informierten zuvor bei einem Festakt im Erzbischöflichen Palais Erzpriester Franz Schlegl und der Publizist Heinz Gstrein. Nachdem Galizien 1772 von den Österreichern besetzt worden war, sah sich die Habsburgermonarchie mit einem Mal mit der Präsenz von drei Millionen unierten Katholiken des byzantinischen Ritus konfrontiert. Das veranlasste Maria Theresia 1775, Kirche und Kloster von St. Barbara in der Wiener Postgasse der ukrainischen griechisch-katholischen Gemeinde zu übertragen.
Das damit verbundene neue Priesterseminar "Barbareum" hatte allerdings nur eine kurze Lebensdauer: 1784 löste Joseph II. das Priesterseminar auf, und die Ausbildung des griechisch-katholischen Klerus wurde von Wien in die neuen unierten Generalseminare von Lemberg und Eger verlegt. Gleichzeitig errichtete der Kaiser für die Galizier die griechisch-katholische Zentralpfarre St. Barbara. Joseph II. ordnete die Anstellung eines Priesters und eines Diakons an, die der ruthenischen (also ukrainischen) und polnischen Sprache mächtig sein mussten.
St. Barbara unterstand kirchenrechtlich bis 1935 dem Lemberger Metropoliten. In diesem Jahr wurde mit einem Dekret der Kongregation für die orientalischen Kirchen die Jurisdiktion auf den Wiener Erzbischof übertragen. Allerdings übte sie dieser nur als Delegat der vatikanischen Ostkirchenkongregation aus. Damit wurde St. Barbara nicht in den Diözesanverband der Wiener Erzdiözese aufgenommen, sondern war eine päpstliche Pfarre. Zugleich wurde festgestellt, dass sich der Jurisdiktionsbereich des Erzbischofs von Wien als Delegat des Heiligen Stuhles auf alle Katholiken des byzantinischen Ritus beziehen sollte, die sich innerhalb der Grenzen Österreichs aufhalten.
Mit einem Dekret der Kongregation für die orientalischen Kirchen vom 3. Oktober 1945 wurde dem Wiener Erzbischof (damals Kardinal Theodor Innitzer) schließlich die selbstständige Jurisdiktionsgewalt über die Priester und Gläubigen des byzantinischen Ritus in Österreich übertragen. Am 1. November bestellte Innitzer mit Myron Hornykewytsch (1886-1959) den ersten Generalvikar für die Katholiken des byzantinischen Ritus in Österreich.
Kardinal Schönborn sagte bei dem Festakt, die Existenz der griechisch-katholischen Kirche erinnere die Weltkirche stets daran, dass sie mit beiden Lungenflügeln, dem westlichen und östlichen, atme. Der Wiener Erzbischof ist traditionell auch Ordinarius für die griechisch-katholischen Gläubigen in Österreich. Dieses Land könne auf eine 70-jährige Geschichte des Friedens und der Freiheit zurückblicken, wofür es zu danken gelte, so Schönborn. Die Geschichte der griechisch-katholischen Kirche im ehemaligen kommunistischen Ostblock wie teils auch heute noch im Nahen Osten zeige, dass dies keine Selbstverständlichkeit sei. Der Kardinal zeigte sich beeindruckt darüber, mit welch "großem Bekennermut" Bischöfe, Priester und einfache Gläubige in der Zeit der Unterdrückung zu ihrer Kirche und ihrem Glauben gestanden seien.
Gläubige aus allen osteuropäischen Ländern
Erzpriester Yuriy Kolasa, Generalvikar für die Unierten, unterstrich in seinen Ausführungen ebenfalls die Brückenfunktion der griechisch-katholischen Kirche. Auch wenn die Kirche von vielen Seiten als Hindernis für die Kircheneinheit angesehen werde, sei das Gegenteil der Fall. "Das Wirken für die Einheit gehört zum Wesen der griechisch-katholischen Kirche, die aus den beiden Elementen 'katholischer Glaube' und 'byzantinischer Ritus' besteht", so Kolasa wörtlich. Die Kirchen in Osteuropa müssten sich "von politischen Ideologien befreien und gemeinsam Jesus Christus verkündigen", forderte der Generalvikar.
Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs gibt es Katholiken aus nahezu allen osteuropäischen Ländern und damit aus fast allen byzantinischen Kirchen in Österreich. Die Zahl der unierten Gläubigen in Österreich beträgt rund 10.000. Gemeinden gibt es in Wien, Graz, Klagenfurt, Linz, Salzburg und Innsbruck. Der Großteil der unierten Gläubigen (86 Prozent) gehört aber immer noch der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche an. Dahinter folgt die rumänische griechisch-katholische Kirche (11 Prozent).
In Österreich sind zwölf Priester der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, sechs der rumänischen und jeweils einer der ungarischen, slowakischen, serbischen und melkitischen griechisch-katholischen Kirche tätig. Die meisten davon sind verheiratet. Neben der Pfarrseelsorge (in unierten wie römisch-katholischen Pfarrgemeinden) sind viele unierte Priester auch in der Krankenhaus- oder Gefängnisseelsorge tätig.
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