Papst würdigt Glaubenstreue der verfolgten "Unierten" der Ukraine
Rom-Kiew-Wien, 07.03.2016 (KAP) Papst Franziskus hat in einer Botschaft an den griechisch-katholischen Großerzbischof von Kiew, Swjatoslaw Schewtschuk, an die "Pseudosynode von Lemberg" vor 70 Jahren erinnert. Darin zeigte er sich u.a. dankbar für die Glaubenstreue der ukrainischen Katholiken, von denen Tausende ihre Standhaftigkeit mit dem Tod, Haft oder Verbannung nach Sibirien bezahlen mussten.
Im März 1946 wurde unter massivem Druck der Regierung in Moskau eine Synode griechisch-katholischer Geistlicher in Lemberg einberufen. Die Synode, an der kein legitim gewählter Bischof teilnehmen konnte, weil schon alle in Haft waren, beschloss, dass sich die byzantinischen Katholiken des Landes von Rom und vom Papst lossagen und sich mit der russischen Orthodoxie verbinden. Bis zum Ende der kommunistischen Herrschaft 1989 konnte die Ukrainische Griechisch- katholische Kirche (UGKK) jetzt nur noch im Untergrund wirken.
Franziskus betonte in seinem Schreiben wörtlich: "Im Gedenken an diese Ereignisse neigen wir uns in tiefer Dankbarkeit vor jenen, die um den Preis von Heimsuchungen und sogar des Martyriums hingebungsvoll in der eigenen Kirche und in unvergänglicher Treue zum Nachfolger des Petrus den Glauben bezeugt haben."
Großerzbischof Schewtschuk war - zusammen mit den anderen Mitgliedern des Heiligen Synods seiner Kirche - am Samstag von Papst Franziskus in Privataudienz empfangen worden. "Wir haben das bestätigt, was kein totalitäres Regime brechen konnte: Unsere Gemeinschaft mit dem Heiligen Vater", sagte Großerzbischof Schewtschuk nach der Begegnung mit dem Papst im Gespräch mit dem Pressedienst seiner Kirche.
"Offen für Diskussion"
Das Verhältnis zwischen dem Vatikan und der UGKK war zuletzt nicht spannungsfrei. Die Ukrainer warfen Franziskus vor, dass er im Ukraine-Konflikt, den die UGKK selbst ganz klar als Krieg und russische Aggression bezeichnet, die Russen zu sehr schone und nicht als Aggressoren verurteile.
Die UGKK kritisierte vor allem, dass der Papst den Ukraine-Konflikt als Brudermord bezeichnet hatte. Damit habe sich Franziskus eine Vokabel der russischen Propaganda zu eigen gemacht.
Viele Ukrainer hatten zudem vom Papst erwartet, dass er bei der historischen Begegnung mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill im Februar auf Kuba massiver auf ein Ende der russischen Aggression hätte drängen sollen.
Laut Pressedienst seiner Kirche sagte Großerzbischof Schewtschuk nun bei der Begegnung am Wochenende mit Franziskus, der Papst sei für "Ukrainer, die unterschiedlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften angehören, aber auch für säkulare Bürger, eine globale moralische Autorität, die die Wahrheit sagt. Diese Stimme der Wahrheit ist für das leidende Volk der Ukraine besonders wichtig. Wenn die Leute diese Stimme nicht hören oder verstehen, werden sie verwirrt, ängstlich und fühlen sich vergessen".
Darauf habe der Papst - dem Pressedienst der UGKK zufolge - geantwortet, ökumenische Probleme könnten nicht auf Kosten einer "ganzen katholischen Ostkirche" gelöst werden. Weiter heißt es, die UGKK sei bereit, internationale Hilfe "verantwortlich, transparent und ökumenisch" zu verwalten, um Ukrainern, "unabhängig von ethnischer, politischer und linguistischer oder religiöser Zugehörigkeit" zu dienen.
Wörtlich sagte der Großerzbischof von Kiew: "Genug von diesem Leid. Es kann verhindert oder geheilt werden. Machen wir das 'Jahr der Barmherzigkeit' zu einer Wirklichkeit für das Volk der Ukraine." Papst Franziskus habe zugesagt, in diesem Zusammenhang einen Appell an die internationale Gemeinschaft zu richten.
Im Gespräch mit der ukrainischen Sektion von "Radio Vatikan" meinte Schewtschuk, er habe einige Punkte der gemeinsamen Havanna-Erklärung von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill "nicht verstehen" können. Nach dem Gespräch mit Papst Franziskus wisse er nun, dass der Papst die Leiden des ukrainischen Volkes teile. Der Papst habe den griechisch-katholischen Bischöfen versichert, dass er ihren Nöten nahe sei: "Er hat uns gesagt, dass die Begegnung mit Patriarch Kyrill für die universale Kirche notwendig war und die gemeinsame Erklärung nicht 'das Wort des Evangeliums' und offen für Diskussion und Kritik sei. Die Ukrainische Griechisch-katholische Kirche hat das Recht auf ihre Meinung. Der Papst war dankbar für unsere Feststellungen."
"Wichtiger Schritt vorwärts"
Unterdessen hat sich auch der Generalvikar der Griechisch-katholischen Gläubigen in Österreich, Yurij Kolasa, gegenüber "Kathpress" zur Begegnung von Papst Franziskus und Patriarch Kyrill geäußert. Er sprach von einem "wichtigen Schritt vorwärts" in den Beziehungen zwischen katholischer und orthodoxer Kirche, der wesentlich zur Versöhnung zwischen beiden Kirchen beitragen könne. Der gemeinsame Aufruf zur Versöhnung und die Suche nach Formen des Zusammenlebens zwischen orthodoxen und griechisch-katholischen Ukrainern in der von Papst und Patriarch unterzeichneten Erklärung von Havanna öffneten neue Möglichkeiten, zeigte sich Kolasa überzeugt.
Der Generalvikar räumte ein, dass eine deutlichere Positionierung des Papstes im Ukraine-Konflikt zwar wünschenswert, zugleich aber nicht realistisch gewesen wäre. "Ein Anfang ist aber auf jeden Fall gemacht."
Im Dokument von Havanna wird u.a. die historische Form des "Uniatismus" verurteilt, zugleich wird aber auch von Seiten der russischen Orthodoxie die Realität der katholischen Ostkirchen akzeptiert und diesen auch ein eigenständiges seelsorgliches Wirken für ihre Gläubigen zugestanden.
Wörtlich heißt es in dem Schreiben: "Heute ist klar, dass die Methode des 'Uniatismus' aus der Vergangenheit, der als Vereinigung einer Gemeinschaft mit der anderen durch ihre Loslösung von ihrer Kirche verstanden wurde, nicht eine Weise ist, die es ermöglicht, die Einheit wiederherzustellen."
Zugleich betonen der Papst und der Patriarch, dass jene kirchlichen Gemeinschaften, die unter diesen historischen Umständen entstanden sind, das Recht zu existieren hätten. "Orthodoxe und Griechisch-Katholische haben es nötig, sich miteinander zu versöhnen und Formen des Zusammenlebens zu finden, die beiderseitig annehmbar sind", heißt es wörtlich.
Wie Generalvikar Kolasa gegenüber "Kathpress" sagte, habe seine Kirche nie behauptet, dass der Uniatismus der einzige Weg zur Herstellung der Kircheneinheit sei. Er beinhalte aber durchaus auch ein positives Moment: Die "unierten" Kirchen machten die große Sehnsucht unter den Christen nach der Kircheneinheit deutlich, betonte Kolasa.
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Foto: Papst Franziskus und Seine Seligkeit Sviatoslav Shevchuk – Foto von SE Kenneth Nowakowski, Bischof von New Westminster in Kanada.