Byzantinische Liturgie im Stephansdom
Im Zeichen des Gebets um Frieden in der Welt stand am Samstagabend, 12. November 2016 eine byzantinische Göttliche Liturgie im Wiener Stephansdom, der der ukrainische Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk und Kardinal Christoph Schönborn vorstanden. "Wir beten um Frieden in Syrien und wir beten um Frieden in der Ukraine, wo heute wie vor 100 Jahren Blut vergossen wird", sagte Großerzbischof Schewtschuk wörtlich.
Das Oberhaupt der Ukrainischen Griechisch-katholischen Kirche erinnerte daran, dass Kardinal Schönborn im Dezember 2014 als Päpstlicher Delegat in der Ukraine war. "Wir beteten damals um den Frieden und waren live verbunden mit anderen Städten auch der Ostukraine, wo gerade gekämpft wurde", so Schewtschuk wörtlich. Der Kardinal habe damals dem ukrainischen Volk versichert, dass es das Recht habe, das Land zu verteidigen. "Danke für diese Worte eines Päpstlichen Delegaten", so Schewtschuk.
Die byzantinische Liturgie im Stephansdom finde auf Einladung von Kardinal Schönborn statt, betonte Schewtschuk. Dies zeige, "dass die griechisch-katholische und römisch-katholische Kirche ihren Weg gemeinsam gehen. Jesus will die eine Kirche. Das ist die katholische Kirche, die eine universale Kirche ist."
In besonderer Weise dankte Schewtschuk dem Wiener Erzbischof für dessen Dienst als Ordinarius für die byzantinischen katholischen Christen in Österreich. Er könne sich immer wieder davon überzeugen, wie das Leben der griechisch-katholischen Kirche unter Schönborns Führung in Österreich blühe.
Kardinal Schönborn zeigte sich am Ende des Gottesdienstes beeindruckt: "Das Feiern der Göttlichen Liturgie ist ein großes Erlebnis und gipfelt in der Gewissheit: Christus ist in unserer Mitte. Das ist die Mitte unseres Glaubens, und dann ist der Friede wirklich da. Gleichzeitig bitten wir um den irdischen Frieden", so der Kardinal wörtlich.
Die byzantinische Liturgie im Stephansdom war Abschluss und Höhepunkt eines Festtags anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums der Übertragung der Reliquien des heiligen Josafat Kuncewytsch (1580-1623) nach Wien. An dem Gottesdienst nahm auch der griechisch-katholische melkitische Erzbischof von Aleppo, Jean-Clement Jeanbart, teil.
"Zeichen der Einheit und Hoffnung"
Vor der liturgischen Feier im Stephansdom fand am Samstagnachmittag im Wiener Erzbischöflichen Palais ein Festakt statt. Dabei bezeichnete Großerzbischof Schewtschuk die Übertragung der Gebeine des Heiligen Josafat vor 100 Jahren als "Zeichen der Einheit und Hoffnung". Als die Reliquien - der "größte Schatz der griechisch-katholischen Kirche" - damals nach Wien gebracht wurden, habe dies die Universalität der Katholischen Kirche unterstrichen. Diese sei eine "Gemeinschaft verschiedener Riten und Traditionen von Ost und West", so Schewtschuk. Der Großerzbischof hält sich noch bis Sonntagabend in Österreich auf.
Kardinal Christoph Schönborn ging in seiner Ansprache auf seine Funktion als Ordinarius für die Kirche des byzantinischen Ritus in ganz Österreich ein, die er seit rund 20 Jahren innehat. Schon früh habe er eine Liebe zur byzantinischen Tradition entdeckt und sei von ihr geprägt, sagte Kardinal Schönborn und er verwies diesbezüglich u.a. auf die Kirchenväter, die er stets mit Begeisterung gelesen habe. Die griechisch-katholischen Christen gehörten "zu den Perlen der Kirche in Wien und Österreich", so der Erzbischof. Dankbar sei er zudem dafür, dass eine Reihe von Priestern des byzantinischen Ritus auch Seelsorgedienste in römisch-katholischen Pfarren übernommen hätten und dabei "eine große Bereicherung für unser Land" seien.
Weiters wies der Wiener Erzbischof auch auf das "Internationale Theologische Institut" (ITI) in Trumau (NÖ) hin. Diese von Papst Johannes Paul II. gegründete theologische Ausbilungsstätte habe auch viele Absolventen aus Osteuropa und habe sich "von einer Pflanze zu einem Baum" entwickelt; mit vielen starken Impulsen für das Leben der Kirche in Österreich und weit darüber hinaus. Für große Verdienste um die positive Entwicklung der griechisch-katholischen Kirche in Österreich, aber auch in der Ukraine, würdigte Kardinal Schönborn zudem den früheren byzantinischen Generalvikar, Prälat Alexander Ostheim-Dzerowycz.
Für die Ukraine bete er inständig um ein Ende dieses "aufgedrängten Krieges", den das Land nicht gesucht habe, so der Kardinal. Die Ukraine habe bereits unvorstellbare Tragödien durchgemacht, erinnerte Schönborn an die Ereignisse im 20. Jahrhundert. Unter Stalin seien Millionen in den Hungertod getrieben worden, ebenso habe das ukrainische Volk unter den Nazis gelitten.
Mönch, Ordenspriester, Bischof, Märtyrer
Im Rahmen des Festaktes informierte Erzpriester Taras Chagala über die Verehrung der Heiligen Josafats in Wien und der Lemberger Kirchenhistoriker Prof. Oleh Turij zeichnete die Geschichte der Reliquien des Heiligen nach.
Der Hl. Josafat kam 1580 als Johannes Kuncewytsch im Königreich Polen-Litauen zur Welt. 1604 trat er nach einer Kaufmannslehre in Vilnius in das dortige orthodoxe Dreifaltigkeitskloster ein und wurde mit dem Ordensnamen Josafat Mönch im ruthenischen griechisch-katholischen, das heißt mit Rom unierten Basilianerorden. Der tief in der byzantinischen Liturgie und im Ruhe- oder Jesusgebet verankerte Ordenspriester wirkte durch seine Predigten als veritabler "Seelenfänger" und wurde 1618 auf Betreiben des Metropoliten Josyf Rutsky von Kiew Erzbischof von Polozk.
Während seine Klerusreform ein voller Erfolg wurde, scheiterten seine Versuche, die Kirchenunion von Brest (1596) mit Leben zu erfüllen, auf der einen Seite an den polnischen Geistlichen, die den byzantinischen Ritus der Unierten ablehnten und durch den lateinischen ersetzt sehen wollten, auf der anderen Seite am Hass, den die Orthodoxen gegenüber den "Papisten" empfanden. Am 12. November 1623 wurde Erzbischof Josafat auf einer Visitationsreise in Witebsk von einem Mob überfallen, mit einer Axt niedergemacht und in die Düna geworfen.
Bewegte Geschichte
Josafats Leichnam wurde geborgen, nach Polozk (Weißrussland) gebracht und 1625 feierlich bestattet. Nach seinem Tod setzte der König von Polen-Litauen gegen den lateinischen Klerus die Union von Brest durch. Der ruthenische Ordenszweig nahm ihm zu Ehren den Namen "Basilianer des Hl. Josafat" an. 1643 selig- und 1867 als erster Vertreter einer unierten Kirche heiliggesprochen, wurden Josafats Gebeine 1916 zum Schutz vor Übergriffen der Russen nach Wien in die griechisch-katholische Kirche St. Barbara in Sicherheit gebracht, wo sie in einer Kapelle beigesetzt wurden.
Im August 1917 stellte eine Komission die Authentizität der Reliquien fest. 1921 wurden die Reliquien aus der Kapelle auf den Hauptaltar der Kirche gebracht. Zu diesem Anlass wurden eine neue Glasvitrine, ein neuer Sarkophag und Gewänder angefertigt, die von Kardinal Theodor Innitzer gesegnet wurden. 1923, zum 300. Todestag, widmete Papst Pius XI. dem "Märtyrer der Einheit" eine Enzyklika. 1928 wurde die St. Josafats-Kapelle in der Kirche St. Barbara errichtet.
Die Reliquien verblieben bis 1949 in St. Barbara, bis man - wieder aus politischen Befürchtungen - die Reliquien aus der damals von den vier Besatzungsmächten gemeinsam kontrollierten Wiener Innenstadt bei Nacht und Nebel in einem Kohletransporter nach Salzburg und von dort aus nach Rom transferierte. Seit dem 25. November 1963 ruhen die Reliquien des Heiligen Josafat im Petersdom in Rom.
Als die Reliquien des Heiligen nach Rom gebracht wurden, durfte St. Barbara den bischöflichen Ornat des Heiligen behalten. Kardinal Schönborn brachte bei seiner Weißrussland-Mission im Juli das "Epigonation" des Josafat-Ornats (ein rautenförmiges, mit Ikonen besticktes Tuch, das von ostkirchlichen Bischöfen auf der rechten Körperseite unterhalb der Hüfte getragen wird) als Geschenk an die griechisch-katholische Kirche des Landes mit.
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