Kardinal Schönborn an syro-malabarische Gemeinden: Kirche ist Heimat
Am Freitagnachmittag, dem 12. April 2024, traf Kardinal Christoph Schönborn im Festsaal des erzbischöflichen Palais mit Vertretern der syro-malabarischen Gemeinden Österreichs zusammen. Die Gläubigen dieser katholischen Ostkirche bilden nach den ukrainisch-griechisch-katholischen Gläubigen die zweitgrößte katholische Kirche „eigenen Rechts“, sowohl weltweit als auch in Österreich. Ursprünglich beheimatet im südindischen Bundesstaat Kerala, ist die Kirche aufgrund von Migrationsströmen in den letzten Jahrzehnten weltweit verbreitet. In Österreich ist sie Teil des Ordinariats für die katholischen Ostkirchen unter der Leitung von Kardinal Schönborn und dessen Generalvikar Yuriy Kolasa.
Kardinal Christoph Schönborn betonte den Reichtum, den die katholischen Ostkirchen in Österreich mitbringen. Er ermutigte die Gläubigen, ihr spirituelles Erbe in das Leben der Ortskirchen einzubringen. Schönborn sprach von einer neuen 'Awareness' für die lebendigen, anderssprachigen und eigenständigen Riten-Gemeinden. Diese Dynamik zeigt sich auch in neuen Gemeindegründungen. Es ist wichtig zu betonen, dass sie integraler Teil der Kirche von Wien und Teil der Kirche in Österreich sind. Bezugnehmend auf seine persönlichen Erfahrungen betonte er, dass die Kirche gerade bei der Suche nach ihrer eigenen Identität eine Heimat biete.
Zwischen Assimilation und Identität.
Die 27 Teilnehmer, darunter 10 engagierte Frauen und Männer aus verschiedenen Gemeinden Österreichs, hatten sich bereits seit dem Vormittag unter dem Vorsitz von Generalvikar Yuriy Kolasa mit aktuellen Herausforderungen auseinandergesetzt. Im Fokus der Beratungen standen die Spannungen zwischen Integration und Identität, der Assimilationsdruck und der Einfluss einer postchristlichen, säkularen Gesellschaft sowie die Glaubensweitergabe an die kommenden Generationen. Dem Treffen war eine mehrjährige Vorbereitungsphase vorausgegangen.
Im Jahr 2020 begann das Ordinariat für die katholischen Ostkirchen gemeinsam mit allen Priestern der syro-malabarischen Kirche in Österreich diesen Prozess. Aufgrund von Corona mussten jedoch viele Treffen verschoben werden. 2022 fand schließlich das erste Priestertreffen statt. Gleichzeitig wurde eine Steuerungsgruppe gebildet, die bereits viermal tagte und von Christa Nachtigall-Birklbauer und Thomas Völkerer aus der Erzdiözese Wien begleitet wurde.
Die Teilnehmer des Klausurtages waren sich einig, dass diese Spannungen sich vor allem im Bereich der Sprache und der Liturgie zeigen. Die junge erwachsene Generation ist mittlerweile in der deutschen Sprache zuhause, während sie gleichzeitig an Malayalam, der Sprache ihrer Vorfahren und des Gottesdienstes, als Identitätsmarker festhält. Eine Herausforderung besteht darin, die eigene Kultur und Form des Gottesdienstes auch späteren Generationen zu vermitteln, selbst wenn die Verbindung zur ursprünglichen Heimat zunehmend loser wird. Die überwiegende Mehrheit sprach sich dafür aus, die deutsche Sprache vermehrt in der Liturgie zu verwenden. Gleichzeitig betonte sie die Notwendigkeit von kinder- und jugendgerechten Gottesdiensten, Katechesen, einem stärkeren sozialen Leben in den Gemeinden und Unterstützung in den Familien. Trotz der Integration in die österreichische Gesellschaft und Kirche betonen die jungen Gläubigen weiterhin ihr identitätsstiftendes kulturelles und spirituelles Erbe. Insbesondere legen sie Wert auf die Bedeutung der Hl. Qurbana, der Eucharistiefeier in ihrem eigenen Ritus und die Pflege der eigenen Sprache im Rahmen von pfarrlichen Bildungsprogrammen.
Das Treffen endete mit einem Fahrplan für die Zukunft. Folgetermine sind geplant, um die diskutierten Ideen „auf Schiene“ zu bringen. Das nächste große gemeinsame Fest bildet aber der bevorstehende Besuch des neuen Oberhaupts der syro-malabarischen Kirche, Großerzbischof Mar Raphael Thatillim (Kochi), im kommenden Mai. Am 25. Mai um 14:00 Uhr wird er im Stephansdom eine syro-malabarische Liturgie zelebrieren.
Die Syro-Malabarische Kirche ist eine ostkirchliche Gemeinschaft der ostsyrischen Tradition, die mit Rom verbunden ist. Entstanden in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten, - sie führt sich auf die den Hl. Apostel Thomas zurück - wurde sie im 16. Jahrhundert von portugiesischen Kolonisatoren neu entdeckt. Dieses Aufeinandertreffen führte zunächst zu einer für die Kirche schwierigen, weil aufgezwungene Anpassung an die römisch-katholische Tradition. Im 19. Jahrhundert erlangte sie ihre Eigenständigkeit wieder und erhielt schließlich die Anerkennung ihrer ostsyrischen Tradition. Heute ist sie eine eigenständige Kirche unter der Leitung eines Großerzbischofs und seiner Synode. Ihr Oberhaupt ist seit Januar dieses Jahres Großerzbischof Raphael Thattil mit Sitz in Kochi/Kerala.