Theologe Németh mahnt stärkere Beachtung katholischer Ostkirchen ein
Für eine stärkere Miteinbeziehung von Theologinnen und Theologen katholischer Ostkirchen in für die gesamte Katholische Kirche relevante Fragen und Entwicklungen hat sich der Wiener Ostkirchenexperte Prof. Thomas Németh ausgesprochen. Die Bedeutung bzw. Eigenständigkeit östlicher Theologie stehe der Gemeinschaft mit der lateinischen Kirche in keiner Weise entgegen, zeigte sich Németh überzeugt. Németh ist Vorstand des Fachbereichs für Theologie und Geschichte des Christlichen Ostens und Priester der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche. Er äußerte sich im Kathpress-Gespräch, in dem er nochmals seine Ausführungen bei der jüngsten Wiener Fachtagung anlässlich des 250-Jahr-Jubiläums der "Wiener Synode" der katholischen Ostkirchen skizzierte.
Unter dem Titel "Zum östlichen Charakter katholischer Ostkirchen. Anfragen und Überlegungen" befasste sich der Theologe dabei mit dem Traditionsverständnis. Er verwies auf mehrere Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65), wonach etwa das ganze geistliche, liturgische, rechtliche und theologische Erbe der östlichen Kirchen "zur vollen Katholizität und Apostolizität der Kirche" gehöre ("Unitatis Redintegratio"). Das Dokument "Orientalium Ecclesiarum" unterstreiche die gleiche Würde aller katholischen Kirchen eigenen Rechts, der lateinischen Kirche sowie der katholischen Ostkirchen.
Die Aufforderung in "Orientalium Ecclesiarum", "zur Überlieferung der Väter zurückzukehren", werde vom Gesetzbuch für die katholischen Ostkirchen (CCEO) umgesetzt und durch eine Instruktion der Ostkirchenkongregation zur Anwendung der liturgischen Bestimmungen des CCEO aus dem Jahre 1996 präzisiert.
Problematische Verwendung des "filioque"
Németh zeigte sich in diesem Zusammenhang kritisch über so manche Bestrebungen in katholischen Ostkirchen, die auf eine liturgische und theologische Latinisierung abzielen. Aktuell bestehe etwa in der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche die Gefahr, dass die in ihrem Partikularrecht für die Werktage der Großen Fastenzeit vorgeschriebene Praxis der Liturgie der vorgeweihten Gaben auf Basis einer rechtlich zweifelhaften Argumentation aufgeweicht werden könnte. Auch in österreichischen griechisch-katholischen Gemeinden seien teils unterschiedliche liturgischen Präferenzen zu beobachten. Problematisch erscheint dabei laut Németh die Verwendung des westlichen "filioque" im Glaubensbekenntnis.
Gerade weil griechisch-katholische Kirchen nicht als "Brücken" zur Orthodoxie anzusehen sind, sondern innerkatholische eine wichtige Vermittlungsfunktion besitzen, komme der Wahrung östlicher Theologie ein hoher Stellenwert zu. In ihr zeige sich die Vielfalt des Glaubensausdrucks der "einen" Kirche. Allerdings fehle mitunter - "auch bei manchen Bischöfen" - das Bewusstsein für theologische Pluralität gemäß dem Konzilsdokument "Unitatis Redintegratio".
Immer noch enthalte auch das für bestimmte kirchliche Ämter und Aufgaben römischerseits vorgesehene Glaubensbekenntnisses für Angehörige katholischer Ostkirchen das "filioque". Dies zeige, wie sehr ein monolithisches Konzept lateinischer Theologie dominiert, kritisierte Németh.
Kritik an "Skandalbuch"
Der Theologe verwies weiters auch auf das Buch "Aus der Tiefe des Herzens" von Kardinal Robert Sarah, das er als "Skandalbuch" bezeichnete. Entgegen dem Konzilsdokument "Presbyterorum Ordinis" werde ein "ontologischer Priesterzölibat" behauptet. Dies stehe für eine "innerkatholische Bedrohung der gleichen Würde der Kirchen von Ost und West", so Németh. Leider zeige sich auch im Buchbeitrag Benedikts XVI. eine gewisse Annäherung an dieses "fragwürdige" Priesterbild, so der Theologe.
Ein stärkeres Engagement von Theologinnen und Theologen katholischer Ostkirchen in solchen gesamtkirchlich relevanten Fragen wäre daher wünschenswert, betonte Németh: "Letztlich geht es bei der Beschäftigung mit der Tradition um die Suche nach einer heutigen kirchlichen Praxis, wofür auch Kreativität und ökumenische Offenheit notwendig sind." Ein musealer Charakter katholischer Ostkirchen sei ebenso zu hinterfragen wie ein "Neo-Stil", der in der Kirchenkunst mitunter anzutreffenden sei.
Kirchliche Tradition sei nicht einfach eine Gegebenheit, vielmehr verändere sich das "Objekt" durch den Blick darauf, "dadurch wird Neues konstruiert". Damit der in "Orientalium Ecclesiarum" geforderte "organische Fortschritt" gelingen kann, bedürfe es einer aus den Wurzeln der jeweiligen Tradition schöpfenden und heutigen wissenschaftlichen Standards entsprechenden theologischen Hermeneutik, aber auch eines innerkirchlichen Resonanzbodens. Den kirchlichen Autoritäten komme dabei eine wichtige Funktion zu, damit die grundlegende Richtung solcher Prozesse gewahrt bleibt, aber auch unterschiedliche Formen und Geschwindigkeiten bei der Umsetzung berücksichtigt werden.
Vom 30. Mai bis 1. Juni 2023 wurde in Wien die Gedenkfeier zum 250. Jahrestag der 1773 von Maria Theresia einberufenen "Wiener Synode" für die griechisch-katholischen Bischöfe des ungarischen Teils der Habsburgermonarchie abgehalten. Teil der Feierlichkeiten war auch ein wissenschaftliches Symposion zur Synode. Die Synode regelte bis 1918 das kirchliche Leben in den katholischen Ostkirchen in der Habsburgermonarchie. Die Vortragenden befassten sich unter anderem mit den prominenten Bischofspersönlichkeiten Vasilije Boikovi (1719-1785), Grigore Maior (1772-1782) und Andrej Bainsky (1732-1809), sowie mit liturgischen und kanonistischen Fragestellungen.
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